Ryse: Son of Rome

In “Ryse: Son of Rome” (vom deutschen Entwickler Crytek) folgt man dem römischen Soldaten Marius durch eine interessante, wenn auch nicht komplexe, Rachegeschichte. Im Vordergrund stehen dabei vor allem aufwendig inszenierte Zwischensequenzen, die sehr realistische Grafik, sowie das brutale Kampfsystem. Das Spiel erschien 2013 für die Xbox One. Ein Jahr später folgte auch eine (vor allem grafisch) verbesserte Version für den PC.

Irgendwo zwischen “Der Soldat James Ryan” und “300”

Auf den ersten Blick wirkt “Ryse” ziemlich eindimensional und dieser Eindruck täuscht nicht. Dennoch: Im Spiel gibt es Momente, wie etwa bei der Landung der römischen Flotte in Britannien, in denen man sich unweigerlich an die Landung in der Normandie im Anti-Kriegsfilm “Der Soldat James Ryan” erinnert fühlt. Leid und Schrecken des Krieges werden auf erschreckend drastische und realistische Art und Weise inszeniert. Dann, nur wenige Augenblicke später, streckt man Dutzende Gegner, dank Finishing Moves in Zeitlupe samt Kamerafahrt, nieder. Hier wird das Töten fast schon kunstvoll inszeniert und weckt eher Assoziationen mit dem Film “300”.

Ähnlich wie bei “300” ist die Geschichte nicht besonders tiefsinnig, aber zumindest interessant. Marius, ein junger Soldat zu Zeiten von Kaiser Nero, verliert bei einem Angriff britischer Barbaren auf Rom seine Familie. Auf der Suche nach Rache schließt er sich der Legion an, die nach Britannien entsendet wird um dort den Aufstand niederzuschlagen. Mit der Zeit findet er heraus, dass es nicht die Briten waren, die hinter der Ermordung seiner Familie steckten und er kehrt nach Rom zurück um dort die wahren Schuldigen zu töten.

Die Handlung wird meist in cineastischen und episch inszenierten Zwischensequenzen vorangetrieben.

Die Motivation des Helden besteht vor allem aus Rache. Eher beiläufig thematisiert werden Dinge wie Ehre, Verrat, Krieg, Heldenverehrung sowie das Verhältnis zwischen Untertanen und Herrschenden.

Die Geschichte stellt sich zunächst recht realistisch, wenn auch alles andere als historisch korrekt dar. Vor allem im späteren Verlauf nehmen auch römische Götter einen wichtigen Platz in der Handlung ein, was das Spiel zunehmend mystischer und weniger historisch macht. Insgesamt orientiert sich das Spiel nur sehr grob an der realen Geschichte und nimmt sich dabei noch deutlich mehr Freiheiten, als beispielsweise Assassin’s Creed.

Nach spätestens 6-8 Stunden ist die Kampagne zu Ende. Dann bleiben einem nur noch der Multiplayer-Modus (dazu später mehr) und die Möglichkeit einzelne Level erneut durchzuspielen, um dort versteckte Objekte zu finden und zu sammeln. Belohnt wird man dafür nur mit Artworks.

Das Kampfsystem

Die Level sind linear und dienen meist nur dazu, um von einem Kampf zum nächsten zu gelangen, denn der Kern des Spieles ist das Kampfsystem. Es lässt sich schnell erlernen und bietet darüber hinaus kaum Tiefgang. Man kann mit Schwert oder Schild zuschlagen, sowie Blocken oder Ausweichen. Für manche Gegner wird eine spezielle Vorgehensweise benötigt, so müssen Gegner mit einem Schild durch einen eigenen Schildschlag zuerst aus dem Gleichgewicht gebracht werden, ehe man sie mit dem Schwert verletzen kann. Solche simplen Schemata sind den meisten Spielern bekannt, ebenso wie das Ausweichen gegnerischer Angriffe. Hauptsächlich schlägt man also abwechselnd mit dem Schwert oder dem Schild auf die Gegner ein, wodurch sich bei gutem Timing eine Trefferserie aufbaut. Hat man die Gegner lange genug bearbeitet, zeigt ein Totenschädel-Symbol über ihnen an, dass man sie nun mit einem “Hinrichtung” genannten Finishing Move töten kann. Diese werden dann durch Zeitlupe und eine andere Kameraperspektive besonders in Szene gesetzt. Gleichzeitig stellen sie sich aber auch als Quick-Time-Events dar: Drückt man im richtigen Moment die entsprechenden Knöpfe, erhält man Boni. Die expliziten Tötungen, die nicht selten auch mit dem Abtrennen von Körperteilen einhergehen, sind also nicht reiner Selbstzweck. Sie werden auch taktisch benötigt um z.B. mehr Erfahrungspunkte zu erhalten oder Lebensenergie zu regenerieren. Beim Kämpfen kann so ein regelrechter Flow entstehen, der die menschliche Herkunft der Gegner in den Hintergrund treten lässt und sie eher zu Punktelieferanten für Trefferserie, Erfahrung und Lebenspunkten macht.

Durch Erfahrungspunkte kann man Marius im Menü jederzeit verbessern und ihn beispielsweise mit mehr Lebenspunkten ausstatten. Darüber hinaus entwickelt sich die Ausrüstung aber nicht weiter und lässt sich auch nicht individualisieren.

Ein wenig Abwechslung

Gelegentlich versucht das Spiel auch mit Gameplay-Mechaniken der Tatsache Rechnung zu tragen, dass man mit Marius einen Befehlshaber spielt. An vorgegebenen Punkten scharrt man dann beispielsweise seine Soldaten um sich und lässt sie auf Knopfdruck Speere auf Feinde werfen oder gegnerische Pfeile mit ihren Schilden blocken. An anderen Stellen darf man zwischen verschiedenen Zielen für seine Bogenschützen bzw. Belagerungswaffen wählen. Als Verteidiger einer belagerten Stadt muss man sich zum Beispiel entscheiden, ob man die eigenen Ballisten auf die Katapulte der Gegner oder deren Belagerungstürme schießen lässt. Dies hat kleinere Auswirkung auf den anschließenden Kampf: Halten die eigenen Ballisten beispielsweise die gegnerischen Katapulte in Schach, muss man deren Einschlägen nicht ausweichen. Dafür bringen die Belagerungstürme zusätzliche Gegner, die es zu bekämpfen gilt. Insgesamt sind die Unterschiede dieser Entscheidungen aber nur minimal im Spiel zu spüren und haben mit taktischem Gameplay wenig zu tun. Durch solche Abschnitte wird aber zumindest das ansonsten recht gleichförmige Spielprinzip etwas aufgelockert. Dies gilt auch für die Sequenzen in denen man mit einer Ballista selbst schießen darf.

Der Multiplayer-Modus

Neben der Singleplayer Kampagne gibt es auch einen Multiplayer-Modus. In diesem tritt man gemeinsam mit einem anderen Spieler als Gladiator in der Arena gegen mehrere Wellen von Gegnern an. Das Kampfsystem gleicht dem des Einzelspieler-Modus, allerdings erweitert um Finishing Moves, die man gemeinsam durchführen kann. Obwohl eine Koordination zwischen den Spielern hilfreich sein kann, ist sie nicht zwingend erforderlich um die relativ einfachen Herausforderung in der Arena zu meistern.

Durch den erfolgreichen Abschluss von Missionen in der Arena, erhält man Erfahrung und Gold, wodurch sich der eigene Gladiator mit neuer Ausrüstung aufwerten lässt. Bei der Xbox One Version lässt sich dieses Gold zusätzlich auch für echtes Geld kaufen. Nötig ist das nicht unbedingt. Allgemein ist der Modus auch nicht motivierend genug, um damit mehr als gelegentlich die eine oder andere Stunde zu verbringen. Deshalb dürfte sich der Wunsch, echtes Geld für “Gold” im Spiel auszugeben in Grenzen halten, auch wenn man im Spiel nur relativ langsam an die Währung “Gold” kommt.

Das Gold lässt sich zwar auch im Einzelspielermodus an stelle von “Ehre” ausgeben, ”Ehre” bekommt man im Verlauf des Spiels jedoch so viel, dass man nie versucht ist stattdessen Gold auszugeben.

Die Technik

Das Spiel wartet mit einer sehr realistischen Optik auf, was zwar den Eindruck eines Actionfilm verstärkt, aber auch den dargestellten Gewaltgrad sehr explizit macht. Auf technischer Seite gibt es wenig zu kritisieren, beim Testen (PC) stellte sich nur ein, dafür gravierendes technisches Problem dar: Gleich mehrfach wurde durch einen Fehler fast der gesamte gespeicherte Fortschritt gelöscht. Sowohl der Fortschritt im Multiplayer-Modus als auch die Verbesserungen und gesammelten Objekte im Einzelspieler-Modus wurden deshalb auf das anfängliche Level 1 zurückgesetzt. Einzig der letzte Speicherpunkt blieb erhalten, wodurch man zumindest die Geschichte fortsetzen kann. Je nachdem wie weit man dabei ist, können die Gegner nun eine frustrierende Herausforderung darstellen, weil ihr Level, das Level der Spielfigur nun deutlich übersteigt.

Fazit:

“Ryse: Son of Rome“ weist viele Gemeinsamkeiten mit einem Actionfilm auf. Es sieht realistisch aus und ist Kinoreif inszeniert. Der Geschichte kann man leicht folgen und der Hauptcharakter hat wenig Tiefgang. Die Steuerung ist schnell zu lernen und taktisches Denken wird nicht benötigt, dafür jedoch eine gute Reaktionsgeschwindigkeit. Der dargestellte Gewaltgrad ist hoch. Auf der einen Seite zeigt das Spiel so den Schrecken des Krieges, auf der anderen Seite glorifiziert es ihn auch. Für Erwachsene kann “Ryse: Son of Rome” dennoch 6-8 Stunden gute Action-Unterhaltung bieten.

 

Eine Rezension von Björn Augstein // Wintersemester 2017/2018